Niesen. 2016
Der Berg Niesen als natürliche Pyramide und Wahrzeichen der Thunersee-Region war seit jeher ein beliebtes Landschaftsmotiv verschiedener Generationen von Malern. Fast ausnahmslos wurde der Niesen von Norden her gemalt. Standpunkt und Blickpunkt waren jeweils vom festen Boden her - von den nördlich liegenden Hängen des Berges und von den Ufern des Thunersees her.
In unserer von digitalen Medien bestimmenden Umwelt verändert sich unsere Sicht auf die Welt fortlaufend. Die digitale Erschliessung von Orten und Landschaften nimmt stetig zu - fern entlegene Orte lassen sich einsehen und virtuelle Sichtstandpunkte können eingenommen werden, die in der materiellen körperbezogenen Welt nur schwer umzusetzen sind. Anhand von Suchabfragen und virtuellen Landschaftswanderungen erschliessen wir zunehmend ein dreidimensionales Abbild unserer Welt - eine Parallelwelt, in der wir Wegsysteme, Blickstandpunkte und Sichtachsen elektronisch verorten und Bildansichten von Vorgefundenem abspeichern und festhalten.
Die unter dem Namen "Niesen" verfasste Bildarbeit experimentiert mit der bildlichen Repräsentation von 3D-Daten und versucht das Genre der abstrakten Landschaftsmalerei in den digitalen Arbeitsraum zu übertragen. Ausgangspunkt der Arbeit sind die aus Google Earth unverändert entnommenen 3D-Daten des Niesens, der umliegenden Hügeln und des Thunersees. Sämtliche fotorealistischen Bildtexturen wurden entfernt und das 3D-Modell aus fiktivem Sichtstandpunkt - leicht über dem Thunersee schwebend und mittels zwei entgegengesetzten, simultan wirkenden Lichtquellen (Ost und West) - schliesslich als Bild gerendert. Inwiefern mit digitalen Bildverfahren atmosphärische und abstrakte Landschaftsbilder zu erzeugen möglich sind, die nicht bloss eine fotografische Darstellung nachzuahmen versuchen, sondern die, wie auch in der Malerei, eine eigene bildliche Realität zu schaffen versuchen, war eine der Hauptfragen dieser Arbeit.
Sämtliche Bilder sind komplett am Computer gerechnet worden. Es sind keine Fotografien verwendet worden. Alle Bilder haben verschiedene Lichtberechnungszyklen durchlaufen und weisen dadurch unterschiedlich abgestufte Bildtonwerte auf.