The Closet - Phantoms of Reality, 2020
Die unter dem Namen «The Closet. Phantoms of Reality» zusammengefasste Arbeit ist ein Gemeinschaftswerk der Künstler Philipp Schaerer und Reto Steiner. Die für den Kunstraum Satellit in Thun konzipierte Installation zeigt eine handgefertigte Serie von plastischen und abstrahierten Modellfiguren bekannter Apparaturen und mobilen Alltagsgegenständen – teils fix an den Wänden angebracht, wie auch punktuell und scheinbar zufällig im Raum verteilt.
Die Installation zeigt sich als Kabinett von nachgebildeten 1:1 Objekten, die anhand von Umrisslinien auf ihre dreidimensionale Oberflächenform reduziert sind. Die Objekte entsagen sich jeglicher Stofflichkeit und Festkörpereigenschaften. Sie zeigen sich als entmaterialisierte und raumgreifende Strichzeichnungen und wirken wie phantomhafte Abbilder der ursprünglichen Objekte die sie repräsentieren.
Die an den Wänden angebrachten und abstrahierten Apparaturmodelle verweisen unaufdringlich auf einen öffentlichen und intimen Ort. Mitgetragen durch den pavillonartigen Baukörper und der kleinen Abmessung des Ausstellungsraumes, wird hier der Innenraum einer öffentlichen Toilette suggeriert - ein Pissoir - welches bekanntlich meist abgeschirmt und hinter Mauern und Blenden von Blicken verborgen, sich aber hier nun ungewohnt nach aussen kehrt und sich hinter der grossen Vitrine ins Schaufenster stellt. Der Nebenraum wird hier zu Bühne, das Kaschierte öffentlich in Szene gesetzt und so auch die Grenzen zwischen Intimität und Distanz, Privatheit und Öffentlichkeit verwischt und miteinander konfrontiert.
Die durch die Umrisslinien repräsentierten Objekte spielen zweifelsohne auch mit der Wahrnehmung und Darstellungsform von 3D-Modellen aus dem Bereich der Computergrafik und übertragen diese Darstellungsweise in den analogen, realen Raum. So wird hier bewusst mit der Ästhetik der digitalen Drahtgitter-Modellrepräsentation gespielt. Besser bekannt unter dem Begriff Wire Frame sind auch hier die Objekte nur durch ihre Kanten und Isoparameterlinien definiert, jedoch zuweilen durch ihre händische und unpräzise Zeichnung ironisch ins analoge Handwerk übertragen.
Die vorliegende Arbeit ist als Schnittstelle zwischen den Arbeitsfeldern der beiden Künstler zu verstehen. Arbeitet Reto Steiner mehrheitlich im Bereich der dreidimensionalen Plastik, befasst sich Philipp Schaerer hauptsächlich mit digitalen Bildverarbeitungsmethoden. So trifft hier die aus dem Digitalen und für die Repräsentation von 3D-Modellen verwendete Wire-Frame Darstellungsmethode auf den realen Raum, der durch die verschiedenen physisch erfassbaren und dreidimensionalen Objekte ausgestattet ist. Die Arbeit sucht nach den Berührungspunkten und Schnittstellen zwischen der dreidimensionalen Plastik und der Zeichnung als flächige Repräsentationsform.
Alle ausgestellten Objekte sind anhand eines Plastikfilament Stiftes (3D-Pen) von Hand aufgezeichnet worden. Verwendet wurde ein 1.75mm PLA Filament - Polylactide aus der Gruppe der synthetischen Polymere. die grösstenteils aus regenerativen Quellen gewonnen werden - und normalerweise für den digitalen 3D-Druck verwendet wird. Das Prinzip des Plastikfilament Stiftes ist mit der Funktionsweise einer Heissklebepistole zu vergleichen: Der Materialfaden wird im Innern des Stiftes erhitzt, flüssig an der Stiftspitze ausgegeben und verfestigt sich nach kurzer Zeit bei Raumtemperatur.